Magistrat, SPD und Gewerbeverein Arheilgen sind verärgert über die Erklärung der Landesregierung, sich finanziell nicht am lange geplanten Straßenbahnausbau und der damit verbundenen Einzelhandelsverbesserung in Arheilgen zu beteiligen. Die CDU glaubt noch an eine Chance, die FDP gibt Rot-Grün in Darmstadt die Schuld.
Doch einige Bürger sind offensichtlich nicht unglücklich darüber, dass Arheilgens Ortsmitte – speziell die Frankfurter Landstraße – vorerst nicht zur Großbaustelle wird. Das ergab jedenfalls am Dienstagmittag eine Stichprobe unter Passanten und Geschäftsleuten im Ortskern. Gleichwohl wollen Magistrat und Gewerbeverein weiterhin um das millionenschwere Großprojekt kämpfen und Überzeugungsarbeit leisten. Ihre Hoffnung: Wie bei der Felsnase in Eberstadt könnte CDU-Verkehrsminister Alois Rhiel seine Meinung nochmal ändern. Darmstadts Verkehrsdezernent Dieter Wenzel sprach am Dienstag gegenüber dem ECHO von einer „Superplanung für Arheilgen“, die nun wegen Geldmangels in Wiesbaden geplatzt sei. „Alles hatte Hand und Fuß“, sagt Wenzel.
So sollte der zweigleisige Ausbau der Straßenbahn auch die Nutzung der bisherigen Endschleife als kleines Einkaufszentrum bringen. Es seien bereits Gespräche mit Investoren geführt worden. Doch jetzt „ist alles anders“.
Wenzel zu den Folgen: „Wenn der Einzelhandelsmarkt nicht kommt, geht es mit Arheilgen weiter bergab.“ Er kündigt an, den „Widerstand zu organisieren“ und „Dampf machen“ zu wollen. „Wir müssen auf Wiesbaden massiv einwirken. Das ist wichtig für die gesamte Entwicklung in Arheilgen.“ Für das 23 Millionen Euro teure Großprojekt sollten Bund und Land 18,54 Millionen Euro zuschießen, die Stadt würde 4,67 Millionen übernehmen. Weitere Drittmittel kämen hinzu, unter anderem von der Heag. Im aktuellen Haushalt der Stadt stehen bereits sieben Millionen Euro bereit, denn die Arbeiten sollten noch in diesem Jahr beginnen.
Das Planfeststellungsverfahren beim Regierungspräsidium steht kurz vor dem Abschluss. Aus diesem Grund zeigt sich auch ÖPNV-Dezernent Klaus Feuchtinger (Grüne) „maßlos enttäuscht“ von der CDU-Landesregierung, der er gezielte Einmischung in den Kommunalwahlkampf vorwirft. Das gesamte Paket liege nun „auf Eis“, wenn Minister Rhiel bei seiner Meinung bleibt. Feuchtinger will bereits einen Widerspruch in der Politik der Landesregierung entdeckt haben: Das nun geplatzte Straßenbahnprojekt Arheilgen sei im „Aktionsplan Feinstaub“ auf Platz neun gesetzt und somit doch gewollt. Und den Aktionsplan habe schließlich das hessische Umweltministerium in Absprache mit dem Verkehrsministerium erstellt.
Feuchtinger vermutet, dass Rhiel gezielt gegen die rot-grüne Koalition in Darmstadt arbeite – und erinnert sich: „Rhiel hat bei einem Auftritt in Darmstadt 2004 gesagt, er werde nicht noch mal den Fehler wie bei der Straßenbahn nach Kranichstein machen.“ Feuchtinger schließt daraus, dass es der Landesregierung am politischen Willen und nicht am Geld mangelt.
Mit „großer Verärgerung“ hat die SPD die Nachricht aufgenommen, dass das Land Hessen für 2006 nicht bereit ist, Zuschüsse für die Umgestaltung der Frankfurter Landstraße zu gewähren. Auch für 2007 könne derzeit keine Zusage gegeben werden.
„Das ist ein Schlag der CDU ins Kontor all jener, die sich für die Aufwertung des Ortskerns und die Stärkung des Einzelhandels in Arheilgen einsetzen“, schimpft der Vorsitzende der Arheilger SPD, Hanno Benz.
Wenn die CDU jetzt die Bereitstellung der erforderlichen Landesmittel „auf die lange Bank“ schiebe, werde die Entwicklung Arheilgens nachhaltig geschwächt.
Auch die notwendigen Arbeiten am Schienennetz der Straßenbahn müssten jetzt eventuell noch vor einem Baubeginn vorgenommen werden. „Dadurch entstehen doppelte Kosten und eine doppelte Bauzeit. Das wäre der Todesstoß für den Einzelhandel in Arheilgen.“ Um gemeinsam die weiteren Schritte zu diskutieren, schlägt die SPD einen Runden Tisch vor. Eingeladen sind die in Arheilgen vertretenen Parteien CDU, FDP und Grüne, der Arheilger Gewerbeverein, die IG Arheilger Vereine und die Mitglieder des Planungsbeirats Frankfurter Landstraße. Wenzel habe ebenfalls zugesagt.
Von einem „großen Rückschlag für Arheilgen“ spricht Bernd Wiegmann. Der Vorsitzende des Gewerbevereins zeigt sich überrascht von der Wendung, denn man sei eigentlich von einer festen Zusage aus Wiesbaden ausgegangen. Der Gewerbeverein wolle sich nun mit dem Magistrat zusammensetzen, um zu überlegen, wie es weitergeht. Er fürchtet nun zwei Großbaustellen: Erst die notwendige Erneuerung der maroden Gleise im Ortskern – und später der Komplett-Umbau. Wenn er denn überhaupt kommt.
Rafael Reißer, CDU-Landtagsabgeordneter aus Darmstadt, sieht keine Schuld bei der Landesregierung. Da dem unvollständigen Förderantrag aus Darmstadt noch eine abschließende Modifizierung nach dem in Kürze zu erwartenden Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums (RP) fehle, habe die zuständige Behörde in Wiesbaden nicht anders entscheiden können.
Nach dem Beschluss des RP könne Darmstadt noch nachlegen und eine Projektförderung erneut beantragen. Reißer: „Das Ding ist noch nicht rum.“ Zudem bestehe die relativ gute Chance, dass andere, derzeit besser eingestufte Großprojekte in Hessen noch ausfallen und Darmstadt aufrücken kann. „Dass es einen Stopp gibt, ist jedenfalls nicht richtig“, sagt Reißer.
Mit Bedauern reagiert die FDP auf den Stopp des Straßenbahnprojekts in Arheilgen – macht aber Rot-Grün dafür verantwortlich. „Seit Jahren haben wir den Magistrat aufgefordert, endlich Tempo zu machen“, sagt Ralf Arnemann, städtebaupolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. „Jetzt ist Darmstadt von anderen Kommunen überholt worden, die ihre Projekte nicht so schneckenlangsam abwickeln.“
Zwei Straßenbahnstationen in Arheilgen mehr haben oder nicht, das wäre laut Arnemann „eigentlich nicht entscheidend für die Wohnqualität“. Aber die Einzelhandels- und Parkplatz-Situation sei kritisch. Dringend fordert er eine schnelle Neuplanung mit der Ansiedlung eines Vollversorgers im Ortskern.
Die FDP spricht nun von einer „Pleitenserie des Magistrats“. „Erst die Knell-Fehlplanung, dann das Planungswirrwarr um die Felsnase in Eberstadt, jetzt der Flop in Arheilgen – in Wiesbaden kann man die Darmstädter Stadtregierung gar nicht mehr ernst nehmen“, sagt Arnemann.