DARMSTADT. „Brüder zur Sonne, zur Freiheit“ – der Oldie aus dem Liedgut der Arbeiterbewegung durfte nicht fehlen. Denn sozialdemokratische Tradition wurde am Freitagabend im „Goldenen Löwen“ in Arheilgen ganz groß geschrieben. Vor 125 Jahren hatten sozialistisch gesinnte Männer in der damals noch selbständigen Gemeinde Arheilgen einen Arbeiterbildungsverein gegründet – den organisatorischen Vorläufer des heutigen SPD-Ortsvereins
Die Arheilger sind damit die älteste Parteigliederung in Darmstadt. Die Eberstädter Genossen schlossen sich erst fünfzehn Jahre später zusammen. Zur Jubiläumsfeier hatten die Sozialdemokraten aus Darmstadts Norden Mitglieder und Freunde eingeladen. Die Gründung des Vereins war im obrigkeitsstaatlichen Deutschen Reich ein gewagter Schritt. Denn es gehörte einiger Mut dazu, sich zur Sozialdemokratie zu bekennen. Wegen der politischen Unterdrückung konnte sich der Arheilger Arbeiterverein erst 25 Jahre nach seiner Gründung SPD nennen.
„Wir können stolz auf 125 Jahre Parteigeschichte zurückblicken”, sagte der Arheilger SPD-Ortsvereinsvorsitzender Hanno Benz. Ein halbes Jahrhundert dieser Zeit überschaut Peter C. Bernet, der ehemalige Darmstädter Polizeipräsident. „Ich bin nach der Wahlniederlage der SPD 1953 als Student eingetreten, um für sozialdemokratische Politik zu streiten”, erinnert er sich. Er habe sich im Parteibüro vorgestellt und gesagt, er wolle bei der SPD mitmachen. „Ich kann gut reden”, habe er für sich geworben. Der örtliche Parteifunktionär habe ihm auch gleich eine Aufgabe zugewiesen. „Da im Eck steht der Wassereimer und die Bürste. Geh’ raus und putz’ die Plakatständer”, habe dieser erwidert, erzählt Bernet schmunzelnd. Am nächsten Tag habe die Nachbarin seine Frau beim Metzger gefragt: „Ei, ihr Mann, der studiert wohl nicht mehr? Der bürstet doch jetzt für Ibel und Lotz die Plakate!„ Im Rückblick stellt Bernet seiner Partei nicht das allerbeste Zeugnis aus – zumindest auf Bundesebene. „In den vergangenen 50 Jahren hat sich die SPD zu meinem Entsetzen teilweise negativ gewandelt und vielen Gesetzesänderungen zugestimmt, die bürgerliche Freiheitsrechte massiv eingeschränkt haben.„ Er habe versucht, sich dagegen zu wehren, sei aber nicht durchgedrungen. An einen Parteiaustritt habe er aber nie gedacht. „Als Mitglied kann ich mit einflussreichen Parteifreunden reden, mich an parteiinternen Diskussionen beteiligen. Bei einem Austritt verliert man diese Einflussmöglichkeiten.„ Als erster Sozialdemokrat zog der Arheilger Ludwig Büttner 1892 in den Gemeinderat ein. „Arheilger SPD-Mitglieder haben die Geschicke Arheilgens und später auch der Stadt Darmstadt wesentlich mitbestimmt”, sagte Hanno Benz. Dem hauptamtlichen Magistrat gehören derzeit sogar zwei Arheilger an: Oberbürgermeister Peter Benz und Stadtkämmerer Gerd Grünewaldt.
Eigentlich sollte nach den Planungen der Jubiläumsfeier Heidemarie Wieczorek-Zeul, die stellvertretende SPD-Parteivorsitzende, langjährige Arheilger Parteimitglieder ehren. Aber ihr Flieger aus Berlin hatte wegen Nebels in Frankfurt große Verspätung. „Wir sind zwar eine alte Partei, aber trotzdem sehr flexibel”, sagte Hanno Benz und übernahm die Ehrungen kurzerhand selbst. blu